Zwei Ereignisse

Zwei Frauen. …welche scheinbar keinen Zusammenhang haben. Und doch haben sie einen: mich.

Mich, den sie beschäftigten und beschäftigen. Mich, den sie berühren. Insbesondere weil ich beide Frauen sehr mag.

Denn beide Ereignisse erfuhr ich aus erster Hand, aus erster Frauenhand, auch wenn die beiden Frauen eine halbe Welt auseinander leben. Zwei Ereignisse, von denen eins dann keines war, aber zugleich doch und das andere nie eines hätte sein sollen.

Sie lernte auf einer Tour durch die Nacht Berlins eine Gruppe junger Skandinavier kennen, von denen einer es ihr sehr antat. Sie feierten die ganze Nacht gemeinsam, es wurde auch viel getrunken, und schließlich begleitete sie ihn zu der Herberge, in der die jungen Männer für ihren Besuch untergekommen waren. Die anderen wollten irgendwann nachkommen. Die beiden hatten Spaß miteinander, guten, saven Spaß, und danach schlief sie ein. Als sie in den Morgenstunden wieder erwachte, ejakulierte gerade der Freund des zuvor ausgewählten in sie, die anderen und der Auserwählte waren verschwunden. Sie warf ihn heulend-tobend hinaus, besann sich kurz, schnappte sich aus dem Zimmer einen nagelneuen Laptop, eine externe Festplatte und einen iPod ungeachtet dessen, wem der Jungs nun was eigentlich gehörte, packte sich alles in ihre Tasche und verließ die Stätte. Sie fühlt sich heute, Wochen danach, satisfied. Der Laptop ist einfach eine Klasse für sich. Keiner der Jungs hat sich je gemeldet.

Sie erfuhr an einem Abend vor einigen Wochen in Viet-Nam gemeinsam mit ihren Schwestern und Brüdern, dass ihr Vater bald sterben wird. Er ist schon seit zwei Jahrzehnten Witwer und hatte seitdem keine Nacht mehr mit einer Frau das Lager geteilt. Aber angesichts des Todes gab er zu, dass er den großen Wunsch hat, vor seinem Tod noch einmal mit einer Frau zu schlafen. Eine Prosituierte jedoch lehnte er ab, nicht gut für sein Karma. Und so überlegten sie und ihre ältere Schwester, ob sie beide ihm nicht diesen letzten Liebesdienst erweisen könnten, sie fragte auch mich, was ich dazu meine, und aus der Überlegung wurde schließlich ein Beschluss und fester Entschluss der Dankbarkeit, Achtung und Liebe. Der Vater dachte eine Woche über das Angebot der beiden nach. Und lehnte es dann aber ab. Denn er befürchtete, dass seine Töchter Anfang, Mitte dreissig das Bild (s)eines alten Körpers in Erinnerung behalten würden.

Mit beiden Geschichten konnte ich nun Frieden schließen. Und mag diese beiden Frauen eigentlich noch mehr als zuvor.

-> Alltägliches<

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19 Gedanken zu “Zwei Ereignisse

  1. Die allgemeine Sprachlosigkeit hier kann ich regelrecht mit meinen Händen greifen. Irgendwie verständlich – aber zugleich auch schade. Ich hatte mehr erwartet. Steckt doch so vieles in diesen beiden Geschehnissen, in diesen beiden Frauen, dessen man sich mit einem guten, inhaltlich bezogenen Kommentar stellen kann…

  2. Zu der ersten Geschichte kann ich mich äußern, Hut ab, dass nenne ich eine gelungene Revanche.

    Zum zweiten fehlen mir die worte, weil das eine Hürde ist, über die ich nie wieder springen möchte.

    Habe zwar mittlerweile keine Probleme mehr mit älteren Männern (siehe meinem blackblog, Horst ist 63), aber trotzdem. Diese Art Tochterliebe kann und will ich nicht kommentieren, weil ich deren Großmütigkeit nicht durch meine Sicht beeinträchtigen will.

  3. Irgendwie ist es eben bei der zweiten Geschichte ein inneres, stilles Tribut zollen, dass sehr schwer kommentiert werden kann.

    Besonders diese „Zwickmühle“ des Vaters zwischen einem letzten (!) Wunsch und der Scham und der Angst, ist schade, aber eben auch sehr verständlich …

    Danke aber für das Weitergeben beider Lebens-Geschichten…das Leben schreibt einfach die unglaublichsten davon!

  4. Zur 1. Geschichte. Hm, was dachte sie wohl, was passieren würde, wenn sie mit einer Gruppe junger Männer, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, in einem Zimmer bzw. einem Bett (weiß nicht wie es wirklich war) übernachtet?

    Vielleicht wollte sie es sogar irgendwie? Zwar nicht so in der Art wie es dann vorgefallen ist aber vielleicht am Abend zuvor??

    Weil wenn sie wirklich so tief verletzt gewesen wäre, würde sie nicht noch nach etwas zum „Mitnehmen“ suchen. Noch dazu werden sie diese Dinge doch dauernd an diese Nacht erinnern.

    Ich glaube, sie war wütend, weil es anders lief als erhofft……

    Zur 2. Geschichte. Ich stelle mir gerade meinen Vater vor, der von mir nie im Leben sowas verlangen würde bzw. tief von mir enttäuscht sein würde, würde ich ihm das als sogenannten letzten Gefallen vorschlagen. Ein Vater, der sein Kind liebt, wird nie fähig sein, mit ihm Geschlechtsverkehr zu haben. Sorry, aber das ist meine Denkweise.

  5. unberührt, lies noch einmal nach: Erstere ging nur mit einem der Jungs dort hin – nicht mit der ganzen Gruppe.

    Zur zweiteren: Der Vater hat es nicht 'verlangt', wie kommst Du nur darauf? Und er war auch nicht enttäuscht über deren Angebot – weil er die Liebe und den Willen zu einem großen Geschenk darin erkannt hat. Es berührt mich merkwürdig, dass Du dieses Geschehnis aus solch einem Blinkwinkel betrachtest… irgendwie fühlt sich für mich dieser Blinkwinkel so an, als wenn er in diesem Fall übehaupt nicht angebracht ist.

    Geht das nur mir so?

  6. Ja, lieber Gerd, es geht nicht vielen so wie dir. Die meisten werden es aus dem Blickwinkel unberührts betrachten und dieses Geschenk nicht als solches sehen können oder wollen. Ich habe mich extra unverbindlich geäußert, weil sich mir dieser Aspekt auch zunächst aufdrängte, habe aber relativiert um dann immer noch dem Vater dankbar zu sein, der diese Grenze nicht überschritten hat.

    Und was die erste Geschichte betrifft: Auch wenn ich nach einem Partyabend mit einem in der Herberge lande und dabei um Mitbewohner weiß, so haben doch die anderen soviel Anstand zu bewahren sich nicht über eine wehrlose, schlafende Frau herzumachen. Das Argument macht mich wütend und erinnert mich an: Sie hat es doch so gewollt, wie es tagtäglich vor Gerichten vorgebracht wird. Ohne Zweifel gibt es solche Phantasien, aber dennoch bin ich der Ansicht, dass dieses Argument nicht zieht…und ein Nein oder eben ein Ja eben das ausdrücken, was es ist, eben entweder sie will oder nicht. Dem Idioten geschieht also der Verlust seines Equipments recht…vor allem in Zeiten von Aids…have fun, but save fun!

  7. Im August sind wir mit mit einer Freundin von H. und deren Sohn beim Campen im Elsaß. Deren Sohn wurde von seinem Vater in ganz frühen Jahren missbraucht. Das ist kein Blabla, weil juristisch und therapeutisch über Jahre hinweg durchgekaut. Übrig bleibt eine berufstätige Frau, die um jede Minute private Zeit kämpft, weil der Sohn psychisch und physisch mehr als auffällig wurde. Ich freue mich, die Freundin von H. und natürlich auch deren Sohn wieder zu treffen.

    Deinen Protest gegenüber der Schweigsamkeit halte ich also für kritikwürdig. 😉

  8. J., mit einer kleinen Rechnung hättest Du leicht erkennen können, dass diese zwei Situationen ebenso unvergleichbar sind wie Äpfel und Birnen. Aber ich verstehe schon, dass persönliche Betroffenheit den Filter leicht trüben kann. Nichts für ungut, J. …

    Um es auf den Punkt zu bringen: Die beiden Schwestern sind deutlich über dreissig und verheiratet mit Kindern. Ihre Ehemänner trugen deren Entscheidung auch mit.

  9. Die erste Geschichte erfüllt den Tatbestand der Vergewaltigung.

    Darüber können keine materiellen Dinge hinweghelfen…trotzdem lässt sie dieses Handeln sich sicher ein bisschen weniger hilflos fühlen, demnach finde ich es OK.

    Nicht OK ist das Handeln des Freundes – eine heftige Geschichte. Ich weiss nicht, ob ich an ihrer Stelle, dass einfach wegstecken könnte….hoffen wir, dass der Kerl wenigstens ein Kondom benutzt hat.

    Die zweite Geschichte….eine Prostituierte schlecht fürs Karma ? Es wäre sicher auch schlecht fürs Karma gewesen mit seinen eigenen Töchtern zu schlafen, egal aus welchen Beweggründen der Betroffenen. Ehrlich gesagt frage ich mich nur warum er eine Woche gebraucht hat um dieses Angebot abzulehnen. Ich sehe die Liebe hinter dem Angebot, trotzdem verstehe ich es nicht und will es auch nicht verstehen. Gab es wirklich keine andere Möglichkeit ? Eine liebende entferntere Verwandte ? Manche Wünsche müssen vielleicht auch einfach unerfüllt bleiben.

  10. @G: Ich habe Deine Kritik an der Schweigsamkeit (siehe oben) mit meinen eigenen Worten aufgefüllt, meinen Erfahrungen.

    Die Frage ist für mich: Geht Deine Rechnung nicht auf, die „richtigen“ Kommentare zu bekommen?

    Und ja – die Schicksale der von Dir genannten Menschen berührten mich, ohne hier ein Urteil oder eine Bewertung abgeben haben zu wollen.

  11. Naja, zwischen Kindesmissbrauch und der hier beschriebenen Situation besteht ja, wahrscheinlich nicht nur aus meiner Sicht, ein himmelweiter Unterschied, J. – oder findest Du das nicht?

    Da sollte zumindest meine Rechnung aufgehen, auf diese Situation passende Kommentare zu bekommen.

    Aber ich merke schon, dass Du mit dieser Betrachtungsweise nicht alleine dastehst, daher ist das wohl als verständlich anzusehen. Freiwilliger Liebes(an)dienst aus hehreren Gründen kann wohl in der Hitze der in Deutschland aktuellen Diskussion (oder sollte ich besser sagen: medialen Hetzjagd? Denn eine Diskussion findet eigentlich nicht statt.) in den Köpfen der Menschen nicht mehr von Kindesmissbrauch getrennt betrachtet werden.

    Die überwiegende Mehrheit in D bezeichnet ja mittlerweile einen über dreissigjährigen, welcher mit einer siebzehnjährigen zusammen ist, als „kranken, perversen Pädophilen“, das sagt genug.

    Ja, selbst die Sichtweise, dass es sich hier um einen fremden Kulturkreis handelt, in dem – wie es sich durch die Art und Weise der zwischenmenschlichen emotionalen Entwicklung der Beteiligten hier eigentlich geradezu aufdrängt – solch eine Situation nicht so verkrampft betrachtet wird wie in unserem Kulturkreis, fand bislang keinerlei Erwägung. (Ist das vielleicht 'niedriger'? Schlägt hier unser westlicher Kultursnobismus, unser moralisches Überlegenheitsgefühl, mal wieder zu? Das kann lediglich nach einer gründlichen Reflektion jeder einzelne von uns für sich selbst beantworten…)

    Es tut mir persönlich jedenfalls weh, diese aus meiner Sicht zartbitter-schöne Geschichte in den dreckigen, stinkenden Sumpf pädophiler Anschuldigungen hineingeworfen zu sehen.

  12. Zu der ersten Geschichte: Ja, es handelt sich glasklar um eine Vergewaltigung. Ohne jedes Aber. Jedoch vermute ich schwer, dass kein Richter dieser Republik (und das wahrscheinlich sogar zu recht) auf eine Anzeige eine Verurteilung aussprechen würde – wenn nicht gerade ein Geständnis vorläge.

    So gesehen empfand ich die Entwendung dieser 'Schätze' sogar selbst als Genugtuung – und musste, als mir diese Ereignisse praktisch tagesaktuell erzählt wurden, zusammen mit der jungen Frau aus purer, unverhohlener Schadenfreude grimmig laut lachen.

    Schwanger aber ist sie zum Glück nicht, obwohl sie es hätte werden können in dieser Nacht. Und das andere wird sich hoffentlich bald auch als Glück im Unglück herausstellen. Hoffentlich.

  13. beziehe mich auf die zweite geschichte:

    diese ist natürlich eine emotionale grenzgängerin, ähnlich wie bespielsweise „lass mich an deiner statt sterben“ o.ä.

    der „akt“ eines solchen angebotes ist das wichtige, das, was die größte und bedingungsloseste liebe verdeutlicht, und ohne das wissen um eine „tabu-überschreitung“ würde dieser akt so ja auch nicht funktionieren. offensichtlich auch in vietnam. ich finde jedenfalls an dieser geschichte erstmal nichts schlimmes eher schönes, wobei für mich auch dazugehört, daß der vater dieses „geschenk“ dann abgelehnt hat, als „geschenk zurück“ gewissermaßen, als zeichen, daß er den eigentlichen gehalt verstanden hat.

    die sache an sich ist für mich unvorstellbar. bin tochtervater, und ich kann mir niemals vorstellen, mit der tochter, gleich wie alt, irgendwie in sexuellen kontakt zu treten. und das meine ich hier erstmal auch gar nicht „pädophil-hysterisch“, sondern schlicht psychologisch. auch wenn ich (in diesem fall) GERNE zur hysterie neige, als vater… (schwanz ab!).

    unverständlich für mich, daß der vater sich nicht eine letzte nacht „bezahlen“ ließ. dazu die begründung, nämlich „dass seine töchter nicht einen alten körper in erinnerung behalten sollten“ zeigt mir, daß es sich wohl eben doch um einen anderen kulturkreis handelt. von daher ist es vielleicht auch überflüssig, einen solchen kommentar hier zu verfassen…;-)

  14. Zur ersten Geschichte: Hoffentlich geht alles gut

    Zur 2. Geschichte: Das ist etwas, was in unsere Moralvorstellung nicht so gut hineinpasst. Ich könnte mir nicht vorstellen, so ein Angebot zu machen. Letzter Wille hin oder her. Aber in anderen Kulturen hat sowas offensichtlich einen anderen Stellenwert.

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