Kopf und Bauch

Ich habe hier schon eine ganze Weile nichts mehr zum Thema Offene Beziehung (bzw. in unserem Fall Offene Ehe) geschrieben, obwohl es auch hier Weiterentwicklungen gab. Dies hole ich nun nach, indem ich einen Beitrag, den ich zum Thema in einem Forum im letzten August veröffentlichte, hier nun copy&paste einbringe.

Vorab: Eine Offene Beziehung ist für mich weit mehr als weitgehend emotionsbefreites Swinger-Poppen, ob nun paarweise oder parallel alleingängerisch. Es ist die Öffnung einer Liebe nach aussen, der Verzicht auf emotionale und körperliche Abkapselung resp. Isolation resp. Exklusivität. Ich sage bewusst emotional, denn wenn ich besonders begehre, bringe ich diesem Menschen auch damit realitiv große Emotionen entgegen, aus denen sich schneller als man schauen kann auch größeres entwickeln kann.

@Tomz, das ist mir 'etwas' zu hypothetisch, abgeklärt, an der (durchaus auch in der Liebe) egoistischen/egozentrischen Natur des Menschen vorbei, ja sogar selbstverantwortungsablehnend…

Stimmt, echte Liebe hält nicht fest, sonst wird sie zum mehr oder weniger goldenen Käfig. Aber sie lässt auch nicht bedingungslos und vollkommen altruistisch los. Dazwischen gibt es Werte, welche eine nachhaltige Liebe durchaus prägen und tragen dürfen, ja sogar zwingend soll(t)en: Ver-bind-lichkeit, Verantwortung, Arbeit an sich selbst, am anderen und an der Beziehung, am gemeinsamen Band. Bildung von Urvertrauen, wobei Vertrauen etwas ist, was man nicht bekommt sondern in erster Linie selbst schenkt, auch sich selbst: im Vertrauen darauf, vom anderen nicht enttäuscht oder gar – so hart dieses Wort nun klingen mag – verraten zu werden. Und auch vertrauend, es auch selbst nicht zu tun.

Das impliziert in seiner härtesten Konsequenz sogar, dem geliebten Menschen Gefühle von Liebe einem dritten gegenüber erlauben zu dürfen, denn Liebe ist mitnichten ein Monopol, auch wenn das viele so proklamiert wissen wollen aus rein egoistischen 'Unvertrauens-' Gründen. Aber erlauben und gönnen im Urvertrauen auf das Band, welche den geliebten Menschen ohne nihilistische Endlichkeits-Annahme mit einem selbst verbindet.

Hypothetisch? Mitnichten. Meine Frau und mich verbindet solch ein Band. Es ist mitnichten perfekt, aber unglaublich mächtig geworden im Laufe von 17 Jahren. Es bedarf der nicht endenwollenden Pflege durch uns beide. Das Zauberwort hier: Aktive, anhaltende Aufmerksamkeit. So kann Liebe wahrhaft überleben, weil sie sich zu etwas im Laufe der Zeit verwandelt, was verdammt viel zu überwinden in der Lage ist. Und durchaus ein open end statt einer hingenommenen Endlichkeit verspricht.

@anxunamun, ich habe da bisher zwei (aufeinander aufbauende?) Verhaltensweisen sowohl bei mir selbst als auch bei anderen beobachten können: Die einen schränken sich in solchen Situation im Ausleben ihrer eigenen Freiheit ein, ja leben diese gar nicht (mehr) aus. Vielleicht steckt ja der (unbewusste?) Gedanke dahinter: Wenn ich es nicht tu bzw. mir nichts daran liegt bzw. ich unterbinde, dass es mir etwas bedeutet beweise ich dem anderen, dass er es auch nicht zu tun braucht und mir zuliebe unterlassen kann/soll/muss?

Andere wiederum stürzen sich um so intensiver in Abenteuer mit dritten, vielleicht weil sie instinktiv oder sogar ansatzweise selbstreflektiert von dieser unausgesprochenen 'Erpressung' ahnen und sich selbst beweisen wollen im Sinne der Theorie einer Offenen Beziehung/eines polyamoren Geflechts dass sie 'besser' sind als erstere und 'darüber stehen'? Wobei wir an einem weiteren wichtigen Merkmal einer nachhaltigen Liebe angekommen sind: Knallharter Selbstreflektion, unabdingbar, unverzichtbar.

Nur ein Erklärungsversuch, über den es sich sehr wohl diskutieren lässt…

Aber ein Erklärungsversuch, welcher bisher der praktischen 'Anwendung' in der nun 17 Jahren währenden Offenen Beziehung meiner Frau und mir durchaus standgehalten hat.

@maracuja, die Zeit ist ein trügerisches Ding Ich selbst war mir auch schon sicher, dass die Zeit uns von so vielerlei 'geheilt' hätte – und es wäre fast in einer Katastrophe geendet. Die Zeit verheisst uns nur all zu gerne, uns zurücklehnen zu dürfen. Diesen Fehler machen wir hoffentlich kein zweites Mal mehr!

-> Erinnerungen<

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8 Gedanken zu “Kopf und Bauch

  1. Umfrage gerne ausgefüllt, Isa – und das nächste Mal bitte solch ein Anliegen ins Gästebuch oder per Kontaktformular, da hier der inhaltliche Bezug 'etwas' fehlt 😉

  2. Das mit dem Einschränken kenne ich leider zu gut… hängt vielleicht auch mit der Angst vor Umbruch und Veränderung zusammen. Es ist auch die Angst vor dem Risiko etwas zu verlieren (was vielleicht gar nicht existiert) und der Versuch den Status Quo beizubehalten.

    Ok… ich bin (derzeit) ein Feigling und hab mich mit dem Status Quo abgefunden. Vielleicht hab ich aber einfach nur Angst vor den Konsequenzen, wenn ich mich wirklich irgendwann dazu durchringe… vielleicht ist es auch bis dahin zu spät.

  3. Nach langer Zeit mal wieder vorbei gelesen und…nicht einfach weiter geklickt.

    Fast 1 1/2 Jahre lebe ich jetzt wieder das Exklusiv-Modell-Monogamie und ertappe mich selbst, wie ich mit meinen Verflossenen SMS tausche, immer unzufriedener werde und mich immer stärker kontrolliert und eingeengt fühle. Die Konsequenzen kenne ich und wie Sascha bin ich derzeit auch noch zu feige um etwas zu verändern. Klar liebe ich meinen Partner, der Sex ist auch von okay bis fantastisch, aber mir fehlt das Prickeln, der Kick, das Gefühl des Begehrtwerdens…noch kompensieren das ein paar SMS/MMS, aber was, wenn das nicht mehr reicht, bzw er mein Treiben aufdeckt…und ich fürchte, meine freie, wilde Zeit mit all den ausgelebten Träumen hat mich für das Status Quo und die Einschränkungen verdorben…und dann?

    Sehne mich nach fremder Haut, nach anregenden Gesprächen und will doch nicht den Partner verletzen…Sascha, ich weiß wie du fühlst….

    Und Promisc….deine Orgie ist mir unvergesslich und wird in stillen Momenten wieder durchlebt.

    Nachdenkliche Grüße…

  4. Lieber Sascha,

    sorry, wenn ich kleines Ding mal wieder so ehrlich bin, aber da du, wie du selbst sags,t zu Feige bist, brauchst du dich nicht zu beschweren.

    Jeder ist selbst für sein Leben verantwortlich und wer nicht geht, braucht sich nicht zu wundern, dass sich NICHTS verändert!

    Auch ich hab angst und manchmal mach ich mir sogar unnötigerweise zu viele Gedanken, aber ich bleibe trotz machnmal sehr viel Angst nicht stehen. Und obwohl ich auch viele schlechte Erfahrungen gemacht hab, bin ich froh weiter gegenagen zu sein als mir selbst zuzusehen, wie ich seelisch zugrunde gehe.

    Und zu dem oben genannten Thema hab ich natürlich eine Meinung, nur äußere ich sie nicht so aggresiv.

    Meckert ruhig über Monogamie, aber es gibt Menschen die eben so, und nur so leben und lieben können. Das zu verurteilen ist genauso falsch wie offenen Beziehungen zu verherrlichen. Eins steht fest jeder muss für sich selbst entscheiden, was ihn/ sie glücklich macht. Und jeder entscheidet selbst, wenn er in seinem Unglücklichsein weiterlebt!

    Gruß

    Elidea

  5. @ Elidea

    Ich meckere doch gar nicht über die Monogamie und verherrliche diese auch nicht. Ich bin mit meiner derzeitigen Situation auch nicht unglücklich, was auch einer der Gründe ist, warum ich derzeit nicht einen Schritt weiter gehe.

  6. Ola, Elideas, schlechten Tag gehabt!? *lach*

    Du, hier hat doch keiner was gegen Monogamie gesagt, selbst wenn ich versuche, zwischen den Zeilen zu lesen finde ich nichts diesbezügliches…

    Stimmt schon, Sascha bedauert schon ziemlich lange und oft, dass er nicht aus den Puschen kommt, seine eigene Wortwahl weiter oben ('abgefunden' und 'dazu durchringen') widerspricht in meinen Augen schon seiner letzten Anmerkung, er sei nicht unglücklich – aber auf der anderen Seite ist jeder seines eigenen Glückes Schmied, sprich auch seines eigenen Unglückes, sollte er Alternativen haben – und die hat er! Also ist sein Leidensdruck offensichtlich schlicht (noch?) nicht groß genug, sich endlich aufzuraffen und etwas dagegen zu unternehmen.

    Aber vielleicht will er ja auch nur, dass ihm jemand anders gehörig in den Hintern tritt – denn anders, Sascha, kann ich mir einfach nicht mehr erklären, warum Du kaum einen Anlass auslässt, auf Dein diesbezügliches Dilemma hinzuweisen aber auch zugleich immer auch auf Deine Untätigkeit darin *schmunzel* So, Sascha, jetzt kannst DU mir an den Karren fahren! *lach*

    Ach ja, Elidea: Ich hab hier auch nicht die Offene Beziehung verherrlicht – eher im Gegenteil, wenn man sich die Arbeit mal reinführt, die ich in meinem Beitrag damit verbinde *schmunzel*

  7. @ promisc

    Du kennst doch den Begriff „Männergrippe“ *grins*

    Ich hab vor Jahren an der „verbotenen Frucht“ genascht und diesen Geschmack vergesse ich einfach nicht mehr. Du hast Recht, im Grunde fehlt mir nur jemand, der mir erneut diese Frucht hinhält bzw. diese mit mir vernaschen will.

    Statt dessen „zündle“ ich lieber in meinem Freundeskreis rum, provoziere und teste wie weit ich gehen kann. Bis jetzt leider ohne Erfolg und ohne Konsequenzen, weder in der einen, noch in der anderen Richtung.

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